Howard Hughes' "Spruce Goose" (2024)

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Gene Tierney durchschaute den bizarren Milliardär wie keine andere. "Ich glaube nicht, dass Howard etwas lieben konnte, das keinen Motor in sich trägt", lautete das vernichtende Urteil der Hollywood-Diva - eine von Dutzenden Schauspielerinnen, mit denen der US-Tycoon Howard Hughes einst das Bett teilte.

Ava Gardner, Katharine Hepburn, Ginger Rogers, Billie Dove: Etliche Filmstars verschliss der Exzentriker, oft traf er mehrere von ihnen in derselben Nacht - seine Sekretärin verwaltete und arrangiert die Dates. Und doch ist Hughes ein einsamer Mensch gewesen. Denn seine wahre Leidenschaft gehörte, wie Gene Tierney es auf den Punkt brachte, nicht den Menschen, sondern den Maschinen. Genauer gesagt: Flugzeugen.

Unter all den Projekten, die der steinreiche Tausendsassa in seinem Leben finanzierte, sticht eines besonders hervor. Es ist das Flugboot "H-4 Hercules": das in puncto Spannweite bis heute größte Luftfahrzeug, das je gebaut wurde. Ein Monstrum von unerhörter Wucht, dessen Flügel so gewaltig waren, dass ein Mensch aufrecht in ihnen stehen konnte. Dessen Heck so hoch war wie ein fünfstöckiges Gebäude. Und das, wenngleich von der Presse als "Spruce Goose" ("Fichtengans") verhöhnt, zu 95 Prozent aus Birkensperrholz gefertigt war.

Wie keine andere seiner Erfindungen verkörperte die vor 70 Jahren erdachte "Spruce Goose" Geltungsdrang, Größenwahn und Realitätsferne des Howard Hughes. Der Texaner plante, mit diesem viel zu schweren, völlig anachronistischen Flugobjekt in die Geschichte einzugehen - als Held, der die Amerikaner mitten im Zweiten Weltkrieg zum Triumph über die feindlichen Achsenmächte führen würde.

5000 Dollar Taschengeld im Monat

Die Idee von Hughes war clever: Seit Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg Ende 1941 wurden amerikanische Schiffe reihenweise zum Angriffsziel deutscher U-Boote. Ein Flugboot, so die Hoffnung, würde die US-Soldaten sicher zu den Kriegsschauplätzen nach Europa transportieren. Die 67 Meter lange und 25 Meter hohe "H-4 Hercules" war darauf ausgelegt, 750 voll ausgerüstete GIs oder zwei "M4 Sherman"-Panzer nonstop 5000 Kilometer weit zu fliegen: ein unerhörtes Vorhaben, zumal die zum Bau des gigantischen Flugzeuges nötigen Metalle während des Krieges knapp wurden.

Doch der US-Senat genehmigte das Mammutprojekt und bewilligte 18 Millionen Dollar für die Erstellung eines Prototyps. Zum einen schien das Flugboot als Konstrukt verlockend - zum anderen war Howard Hughes, dieser schillernde Milliardär, schlichtweg ein Volksheld.

Mit 18 Jahren Vollwaise und Alleinerbe der Hughes Tools Company, einer erfolgreichen Ölbohrer-Firma, schrieb der gebürtige Texaner auf die Rückseite eines Kassenzettels: "Was ich werden will: Erstens der beste Golfspieler der Welt, zweitens der beste Pilot der Welt, drittens der berühmteste Filmproduzent der Welt." Dank seines immensen Vermögens gelang es Hughes, der schon als Teenager 5000 Dollar Taschengeld im Monat erhalten hatte, seinen Träumen recht nah zu kommen.

Weltumrundung in drei Tagen

In den dreißiger Jahren, mitten in der Großen Depression, schmiss Hughes in Hollywood mit Geld nur so um sich. Mit Diamanten köderte er die schönsten Frauen und produzierte von Größenwahnsinn zeugende Filme wie "Hell's Angels": klischeebeladenes Kriegsmelodram und bis dahin teuerster Film der Welt. Für "Hell's Angels" erwarb Hughes eine Flotte von 87 Flugzeugen, um eine gigantische Luftschlacht zu inszenieren - bei den Dreharbeiten starben drei Kampfpiloten.

Howard Hughes' "Spruce Goose" (1)

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Howard Hughes Fichtengans: Der Irre und sein Holzflugzeug

Zur Fliegerberühmtheit avancierte er indes mit seinen drei Weltrekorden: 1935 brachte Hughes es mit einem Flugzeug auf 567 Stundenkilometer, zwei Jahre später gelang ihm der schnellste Transkontinentalflug. Und 1938 umflog er die Erde in einer Traumzeit von drei Tagen, 19 Stunden und acht Minuten. New York erwartete den Ausnahmeflieger mit einer Konfettiparade, Präsident Roosevelt, der den Draufgänger sehr schätzte, verlieh Hughes eine Medaille.

Kein Wunder, dass der US-Staat die "Spruce Goose" 1942 bewilligte. Nur einen Haken hatte der Auftrag: Hughes durfte beim Bau keine "kriegswichtigen Werkstoffe" verwenden, sondern war gezwungen, sein Flugboot aus Birkensperrholz zusammenzuleimen. Obwohl das Holz leicht, haltbar und resistent gegen Trockenheit, Feuchtigkeit und Splittern ist, gestaltete sich der Bau komplizierter als gedacht. Zumal Konstrukteur Hughes viel zu sehr mit Frauen und Filmen beschäftigt war, um sich um sein Projekt zu kümmern.

Eine Brünette, eine Blondine, eine Rothaarige

Erst als der Staat ihm 1944 den Geldhahn zudrehen und den Vertrag auflösen wollte, wurde der Unternehmer nervös: Mit dem berühmten "Hughes-Busen-Büfett" (eine Brünette, eine Blondine und eine Rothaarigen) soll er den Sohn Roosevelts bestochen haben. Der Vertrag lief weiter, der Zweite Weltkrieg ging zu Ende - und noch immer war das als "fliegendes Holzlager" geschmähte Flugboot nicht ansatzweise startklar.

Während ganz Amerika den Sieg über die Nationalsozialisten feierte, erlitt Hughes einen Nervenzusammenbruch. Keines seiner vom US-Senat mit insgesamt 60 Millionen Dollar gesponserten Rüstungsprojekte war rechtzeitig in Serie gegangen: weder die "Spruce Goose" noch der von Hughes konzipierte "D2"-Kampfbomber noch sein Aufklärungsflugzeug "XF-11", mit dem der Flugversessene 1946 mitten in Beverly Hills eine Bruchlandung erlitt, drei Häuser abdeckte und nur knapp mit dem Leben davon kam.

Hughes wurde zum Schmerzpatienten, der seit dem Crash ohne Valium, Codein und andere Opiate nicht mehr leben konnte. Kaum war er wieder auf den Beinen, da stellte ihn der US-Senat als Kriegsprofiteur an den Pranger und warf ihm die Verschwendung von Steuergeldern vor. Hughes musste zu einer öffentlichen Anhörung nach Washington reisen und sich den kritischen Fragen der Senatoren stellen. Im Zentrum ihrer Vorwürfe: das Riesenflugboot "Spruce Goose".

Mit Hummerpartys und Whiskey geködert

Hughes spürte, dass seine Ehre auf dem Spiel stand und ging in die Offensive: "Ich habe jede Nute und jeden Bolzen konstruiert, der in diesem Flugzeug verarbeitet wurde. Ich habe den Schweiß meines Lebens in dieses Ding gesteckt und sieben Millionen und 200.000 Dollar meines eigenen Geldes. Wenn die 'Hercules' nicht fliegen wird, verlasse ich wohl dieses Land. Mein Ruf hängt davon ab", erklärte der Milliardär am 6. August 1947 vor dem Untersuchungsausschuss.

Theatralisch verknüpfte er sein eigenes Schicksal mit dem des Flugboots - und setzte sich damit unter enormen Erfolgsdruck. Denn nun musste die "Fichtengans" flügge werden, koste es, was es wolle. Hughes eilte zurück nach Kalifornien, Tag und Nacht arbeitete er an der Fertigstellung der "Spruce Goose". Bis es Anfang November endlich so weit war.

Dutzende Journalisten, von Hughes mit Hummerpartys, Whiskey, Luxussuiten und Schnellbootrennen geködert, waren anwesend, als der gigantische Wasservogel an jenem 2. November 1947, einem stürmischen Sonntag, im Hafen von Long Beach zu Wasser gelassen wurde. Obwohl das Flugboot aus Holz gebaut war, glitzerte es mit seinem Aluminiumlack wie Metall in der Sonne. "Man fühlt sich wie jemand, der zum ersten Mal in seinem Leben eine Giraffe sieht und denkt: So ein Tier gibt es doch gar nicht", entfuhr es einem völlig entgeisterten AP-Reporter, als er die "Spruce Goose" erblickte.

"Ich sorge eben gern für Überraschung"

Hughes, der selbst im co*ckpit am Steuerknüppel saß, fuhr zunächst zwei Proberunden durch das Hafenbecken. Dann setzte er die meisten Journalisten ab und startete erneut. Ohne seine Crew vorher eingeweiht zu haben, gab Hughes Gas, beschleunigte seine Kreation auf knapp 130 Stundenkilometer - und hob ab. "Als würde man in einem schnellen Aufzug nach oben fahren", versuchten die Besatzungsmitglieder Chuck Jucker und Merle Coffee das Gefühl in Worte zu kleiden.

Andere fühlten sich an einen Heißluftballon erinnert, der in den Himmel aufsteigt. Zwar hüpfte die "Fichtengans" nur rund 20 Meter hoch und blieb gerade einmal 60 Sekunden lang in der Luft. Doch der Coup war gelungen. "Ich sorge eben gern für Überraschung", lautete das knappe Statement des Flugbooterfinders, als er unter dem Jubel von Tausenden von Zuschauern aus dem co*ckpit kletterte.

"Sie fliegt!", titelte das US-Magazin "Time", landauf, landab schossen knapp hundert "Hughes for President"-Clubs aus dem Boden. Die Anhörungen vor dem Senatsausschuss in Washington endeten am 22. November - mit einem moralischen Sieg des Howard Hughes.

1,93 Meter groß, 46 Kilo leicht

"Wenn er es nur dabei belassen hätte. Aber nein!", schreibt Noah Dietrich, Generalbevollmächtigter und Biograf von Hughes, fast wehmütig in seinem Buch über den Milliardär. Hughes reichte es nicht zu beweisen, dass seine längst obsolete Erfindung flugfähig war. Unbeirrbar hielt er an der Idee fest, dass die "Fichtengans" eines Tages tatsächlich fliegen würde.

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Um dieser Wahnvorstellung gerecht zu werden, ließ Hughes einen gigantischen Hangar errichten, in dem fortan bis zu 300 Fachkräfte an seiner "H-4 Hercules" werkelten. Eine Million Dollar habe ihn dieser Spleen jährlich gekostet, schreibt Dietrich. Hughes hielt sogar dann noch an der "Spruce Goose" fest, als seine von Kindesbeinen an latente Paranoia immer schlimmer wurde - und er schließlich komplett von der Bildfläche verschwand.

Hughes letztes Foto stammt von 1953. Seither vegetierte der Texaner völlig isoliert vor sich hin, von Verfolgungswahn, Keimphobie und Waschzwang getrieben. Las Vegas, Acapulco, Managua, London: Hughes campierte stets in den kleinsten Hotelzimmern im obersten Stockwerk, wo er im Dunkeln nackt auf dem Bett saß, immer die gleichen Filme anschaute und in Flaschen urinierte, die er im Schrank deponierte. Er stutzte sich weder Haare noch Nägel, aß immer weniger und fasste nichts mehr ohne Kleenex-Tücher an.

Hughes war zum Phantom geworden, das nie wieder ins co*ckpit eines Flugzeugs stieg - sein anachronistisches Flugboot jedoch musste eifrig weiter in Schuss gehalten werden. An seine größte, aberwitzigste Erfindung klammerte sich der Milliardär bis zum Tod. Er ereilte den Flugzeugfanatiker dort, wo er am liebsten weilte: in der Luft.

Howard Robard Hughes starb am 5. April 1976 um 13.27 Uhr auf dem Flug von Mexiko nach Houston an Nierenversagen. Der 1,93 Meter große Mann war auf 46 Kilo abgemagert, das FBI musste Fingerabdrücke nehmen, um den völlig verwahrlosten Mann zu identifizieren. Sein liebstes Baby, die "Fichtengans", nahm ein würdigeres Ende: Sie landete im Museum.

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